Žilvinas Bautrėnas: „Ich arbeite mit dem Bernstein so wie mit anderen Materialien. Ich beuge mich ihm nicht und mache keine Grimassen. Manchmal schaffe ich es, ihn so zu bearbeiten, wie ich will, manchmal diktiert er selbst, was ich von ihm schaffen soll. Bernstein hat viele unentdeckte Eigenschaften, deswegen versuche ich, ihn auf immer neue Art zu bearbeiten.“
Žilvinas Bautrėnas ist ein litauischer Juwelier der mittleren Generation. Seit 1999 lebt er in Amerika. Seine künstlerischen Ideen basieren auf dem für die postmoderne Kunst typischen Spiel kultureller Verbindungen und Bedeutungen. In seiner Weltsicht existieren Lebewesen und Gegenstände, deren Formen und Namen in alten Kulturen geboren wurden. Das spiegelt sich in seinem Werk „Wer nicht in Noahs Schiff paßte“ wider. Da kann man ein paar Zentimeter große Bernsteinfiguren sehen, sowie das Zeichen des Hakenkreuzes (Sonne) oder der Schlange, regelmäßig geschnitzte Naturbernsteinstücke, die ihrer Form nach nach Schildkröten, Märchen-Türmen und fantastischen Tieren ähneln, oder sogar einfache Bernsteinstücke, die der Künstler mit kleinen Details dekoriert hat. In der heutigen Kunst basiert Schmuck-Design oft auf der konventionellen Gegenüberstellung von unterschiedlichen Objekteigenschaften. Es werden von dem Künstler Bernsteinerzeugnisse geschaffen, die der Thematik von Maschinenteilen entsprechen. Ž. Bautrėnas´ Halskette besteht aus Segmenten, die Schrauben oder einer mittelalterlichen Rüstung ähnlich sind. Sie sehen hart aber einzigartig aus. Die Verwendung des Dornen-Motivs (das, was scharf ist, verletzt) bei der Kreation von Schmuckstücken und Kleidung ist nicht neu. In der alten Militärkleidung hatten Dornen schon eine direkte Funktion; Armbänder oder Jacken mit Dornen in der zeitgenössischen Jugendkultur sollen ein Bild der Aggression schaffen. Die von Ž. Bautrėnas geschaffenen Ohrringe mit kleinen Dornen wirken gar nicht aggressiv, sondern eher spielerisch: Kleine Dornen passen gut zu der interessanten Textur des blauen Bernsteins und sehen damit sehr dekorativ aus. Das Motiv des Kreuzes hat eine doppelte Bedeutung: Es kann als Symbol des Leidens gedeutet werden, oder nur als dekoratives Element der Komposition. Ž. Bautrėnas verwendet auch ein weiteres Prinzip der modernen Kunst: Zum ästhetischen Objekt kann alles werden, was wir auswählen. Das spiegelt sich in dem Werk wider, in dem der Künstler an einem Silberreif eine Vielzahl von Bernsteinstücken befestigte, die miteinander nicht verbunden sind. Es ist nicht einfach zu erkennen, dass diese „zufällige“ Darstellung tatsächlich inszeniert ist. Es sollte auch so sein, weil der Künstler die Schönheit des Zufalls aber nicht der Ordnung darstellt. Etwas anders, aber auch Zufälliges sind „die Einschlüsse des 20. Jahrhunderts“. Ein Stück einer Fotografie, ein Bauteil einer Uhr oder ein Jeans-Knopf „kam“ in den Bernstein und wurde zum Einschluß. Bernstein kann sie für die Zukunft bewahren, so wie er für uns ein vor 50 Millionen Jahren existiert habendes Insekt bewahrt hat. Diese zufälligen Fragmente unserer Welt werden später einmal über unsere Zeit Zeugnis ablegen…