Bernstein wurde schon im 10. Jh. v. Chr. in der Keilschrift der Assyrer erwähnt. Dort wird berichtet, dass im Meer, wo der Nordwind weht (Persische Bucht), assyrische Kaufleute Perlen fischen lassen und dass im Meer, wo der Nordstern scheint (Ostsee), die Menschen gelben Bernstein zu Tage fördern. Ezekiel (600 v. Chr.) erwähnte bei der Beschreibung der Schmuckstücke des Königs Tiras auch Stücke aus Bernstein. Sehr oft wurde Bernstein auch in der griechischen Literatur beschrieben, so in den Werken von Homer, Thales von Milet, Hesiod, Sophokles, Aristophanes, Xenophon, Platon, Aristoteles und anderen Denkern dieser Zeit. Der griechische Philosoph und Redner Dion Chrysostomos (Goldmund) schrieb in seinem Werk: Im Norden gibt es einen Fluss, an dem sich so viel Bernstein befindet, wie Steine in Rom sind. Manche Historiker meinen, dass Chrysostomos den Fluss Visla oder Nemunas gemeint hat. Cornelius Tacitus (ca. 54 – 57 bis 120 n. Chr.) hat zum ersten Mal den Namen der Vorfahren der Litauer erwähnt. In seinem Werk „Germania“ schrieb er über Aestyer und Bernstein: An dem rechten Ufer der Swebensee (der Ostsee) wohnen die Aestyer. Ihre Sitten und ihre Gewänder ähneln denen der Sueven. Ihre Sprache ist eher der britischen Sprache ähnlich. Sie glauben an die Mutter der Götter. Als Zeichen ihres Glaubens tragen sie Figuren von Wildschweinen. Sie dienen als Waffen und schützen gegen alles. Die Aestyer verwenden Streitkolben öfter als Schwerter. Sie sind tüchtiger als die Germanen, sie bauen Getreide und andere Pflanzen an. Sie gehen auch ins Meer und sind die einzigen, die an der See Bernstein sammeln. Sie nennen ihn „glaesum“.
Bis zum 13. Jh. wurde Bernstein ausschließlich am Ostseestrand gesammelt. Später lernten die Einwohner, Bernstein aus dem Meer zu fischen. Sie arbeiteten meistens während der Nacht. Um den Strand zu beleuchten, machten sie Feuer in einem Gefäß mit Harz auf einem hohen Berg oder auf einem Baum. Später wurde Bernstein mit Netzen gefischt und im flacheren Wasser mit speziellen Haken. Die Fischer des Kurischen Haffs fischten Bernstein mit einer Art Schleppnetz: zwischen zwei Booten spannten sie ein Netz mit Haken und zogen es über den Boden des Haffs. Die Haken gruben den Bernstein aus dem Meeresboden, und er verfing sich in den Netzen. Diese Art der Bernsteingewinnung wurde nur auf der Kurischen Nehrung praktiziert.
Nicht immer war es möglich, Bernstein an der Ostseeküste zu sammeln oder zu fischen. Ab dem 13. Jh. wurde die Bernsteingewinnung von den Kreuzrittern monopolisiert. Die Urbevölkerung, die lange Zeit den Bernstein auf eigene Rechnung gesammelt und verkauft hatte, verlor nun dieses Recht. Alle Bernsteinfunde am Ostseestrand mussten der Regierung abgegeben werden. Es gab sogar Zeiten, in denen es verboten war, am Strand spazieren zu gehen. Bis zum 19. Jh. galt im Preußen sogar ein Bernsteingericht, das Personen, die Bernstein für sich selbst behalten wollten, streng bestrafte. Ein Bernsteindieb wurde an den Pranger gestellt, verprügelt, für ewig aus dem Land verbannt, erhängt oder ihm wurden die Glieder unter dem Rad gebrochen. Die Regierung beutete die Bauern an der Küste und die Fischer regelrecht aus. Sie mussten allen gesammelten Bernstein an die Regierung abgeben. Ein Küstenwächter passte auf, dass am Strand kein Fremder herumlief. Ein am Strand angetroffener Fremder, egal ob er Bernstein bei sich hatte oder nicht, wurde bestraft. Die Küstenbauern und ihre erwachsenen Söhne mussten schwören, dass der an der Küste gefundene Bernstein der Regierung übergeben würde. Der Vater sollte sich darum kümmern, dass „die Ehefrau, Kinder oder Bekannte, sogar auch Unbekannte nicht das kleinste Bernsteinstück heimlich oder öffentlich für sich selbst behielten.“ Volljährige Söhne mussten schwören: „Wenn ich sehe oder merke, dass mein Vater, meine Mutter, meine Geschwister, der Wirt, die Arbeiter oder andere Leute Bernstein nicht ehrlich sammeln oder nicht den ganzen Fund abgeben wollen, verspreche ich, das nicht zu erlauben.“ Die beste Motivation zur Gesetzestreue war die Freistellung vom Kriegdienst, die größte Strafe war die Einziehung zum Rekrutendienst.
Nachdem Tauchanzüge entwickelt worden waren, wurde Bernstein schon ab Ende des 17. Jh., besonders aber im 19. Jh., vom Boden der Ostsee manuell gefördert.
Mitte des 19. Jh. wurde das Kurische Haff nicht weit von Juodkrantė (Schwarzort) ausgebaggert und vertieft. Dabei wurde am Boden des Haffs ein großes Areal entdeckt, das sehr reich an Bernstein war. Zwei Geschäftsleute, Friedrich Wilhelm Stantien und Moritz Becker, gründeten eine Firma, die bald begann, litauischen Bernstein aus dem Haff zu baggern. Die Firma wurde in kurzer Zeit reich, und ab 1883 wurde Bernstein vollmechanisch mit einem Dampfbagger abgebaut. Aus dieser Zeit stammt die berühmte Richard Klebs-Kollektion, die weltweit die Aufmerksamkeit von Archäologen erweckte. Die Leute begannen sich nun für den Ort Juodkrantė und den dort gefundenen Bernstein zu interessieren. Viel wurde damals darüber gesprochen und geschrieben. Am Haff entwickelte sich ein industrielles Leben. Pro Jahr wurden 30 bis 85 Tonnen Bernstein gefördert! Nach einiger Zeit kauften die Besitzer der Firma ein weiteres Gebiet an der Samlandküste in Palmnicken (heute Jantarnyj), wo sie eine große Bernsteinfabrik aufbauten. Es ist nicht verwunderlich, dass diese beiden Kaufleute in kürzester Zeit die reichsten Industriellen im damaligen Ostpreußen waren.
Bis heute wird an der Küste des Samlandes in Jantarnyj (früher Palmnicken) im Tagebau Primorsky Bernstein gefördert. Noch immer kommen mehr als 90 Prozent der Weltproduktion an Bernstein aus dieser Lagerstätte, in der jährlich mehrere hundert Tonnen gefördert werden. Die Bernsteinvorräte in diesem Gebiet schätzt man auf 640.000 Tonnen, was einem Vielfachen der bereits gewonnenen Menge entspricht. Allerdings war die Förderung in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Waren es Ende des zwanzigsten Jahrhunderts noch 500 bis 800 t pro Jahr, so sind es heutzutage nur noch ca. 150 t. (offiziell).
Nachdem die beiden Kaufleute Ende des 19. Jh. den Bernsteinabbau im Kurischen Haff eingestellt hatten, wurde versucht, an anderen Stellen Bernstein abzubauen. Die Abbaumethoden waren sehr primitiv und nicht erfolgreich.
Graf Feliksas Vinokentijus Tiškevičius versuchte, Bernstein aus dem Sumpf in der Nähe von Palanga zu fördern. Zwar wurden hier nur einige hundert Kilo Rohbernstein gefunden, aber darunter befanden sich eine große Anzahl interessanter, archäologischer Gegenstände, der heutige Schatz von Palanga.
Nachdem das Kurische Haff ein weiteres Mal vertieft wurde, fand man vor nicht langer Zeit eine neue bernsteinführende Schicht. Man nimmt an, dass dieses Vorkommen etwa 3000 Hektar groß ist und ungefähr 112 Tonnen Bernstein birgt. Ein Abbau ist bisher nicht genehmigt worden. Die Einwohner von Juodkrantė finden heute immer noch Bernstein auf ihren Feldern, selbst beim Roden ihrer Kartoffeln.
Zwar gab es in der Vergangenheit verschiedenste Methoden der Bernsteingewinnung, die im letzten Jahrhundert sehr ermutigend und erfolgreich waren, die populärste Art bleibt jedoch immer noch das Bernsteinsammeln am Ostseestrand.
Bernsteinfischer kennen bestimmte Plätze, wo Bernstein an der Küste zu finden ist. Nicht selten begegnet man Fischern in der Nähe von Karklė oder Melnragė. Aber die Ostsee ist nicht immer großzügig. Bernstein wird nur zusammen mit abgeschliffenen Holzstücken (je größer diese Stücke sind, desto größer ist die Chance, ein größeres Bernsteinstück zu finden), Muscheln, Resten von verschiedenen Pflanzen oder Tieren an den Strand getragen. Die beste Möglichkeit, etwas zu finden, ist nach großen Stürmen, wenn Strömungen den Bernstein aus dem Boden des Meeres befreit haben. Dunkle Flächen aus Seegras oder Holzstücken, die in der Nähe des Ufers zu sehen sind und worüber die Möwen fliegen, verraten, dass hier möglicherweise Bernstein am Strand zu finden ist. Dabei sollte auch die Windrichtung stimmen: wenn der Wind aus Südwesten weht und die Wellen viele Abfälle aus dem Meer ans Ufer tragen, wäre es geraten, ein Netz durch das Wasser zu ziehen und zu hoffen, dass unter den Abfällen auch Bernstein zu finden ist. Der Inhalt des Netzes sollte dann am Strand ausgeschüttet und die Beute aussortiert werden. Der Bernsteinfischer Vladas Stripeikaitis erzählt aus seiner Erfahrung: „Entdecken Sie einen großen Bernstein im Wasser der Ostsee, den Sie nicht rechtzeitig herausfischen konnten, schwimmt der Bernstein zurück ins Meer und Sie werden ihn nie wieder sehen.“
Bernsteingewinnung in Litauen
(Darstellungen verschiedener Autoren) Bernsteinfischerei und Abbau in der Nähe von Juodkrantė Wenn wir vom Bernstein als „Litauisches Gold“ sprechen, muß gesagt werden, dass er an mehreren Plätzen unseres Land zu finden ist. Schon in prähistorischen Zeiten war bekannt, dass die größten Bernsteinfundorte an der Ostsee liegen. Anfangs glaubte man, Bernstein sei nur ein Geschenk der Ostsee. Später wurde Bernstein jedoch auch auf dem Land gefunden. Wo und welche Mengen gefördert wurden, möchten wir hier nicht analysieren. Zumindest aber wollen wir unbedingt den Bernsteinabbau im Kurischen Haff darlegen. Nachdem das Kurische Haff vom Sand der Dünen immer seichter geworden war, musste das Haff zwischen Naglis und Klaipėda ausgebaggert werden, damit größere Schiffe durchfahren konnten. Im Laufe dieser Arbeiten wurde ein Bernsteinvorkommen in der Nähe von Juodkrantė entdeckt. Nach Erzählungen alter Anwohner der Kurischen Nehrung verlief die Geschichte so: Vor langer Zeit besaß ein Gemüsehändler aus Klaipėda ein großes Segelboot mit Dach und Kabinen; dieser Mann kaufte Gemüse von den Leuten, die am Ufer des Kurischen Haffs wohnten, und verkaufte es wieder in Klaipėda auf dem Markt. Einmal, als das Boot voller Gemüse war, kam er auf der Fahrt nach Klaipėda in ein großes Gewitter. Es war unmöglich, mit dem Boot weiterzufahren. Der Gemüsehändler musste in der Nähe von Draverna vor Anker gehen und wartete, bis das Gewitter vorbei war. Nachdem das Wetter besser geworden war, lichtete der Händler den Anker. Zusammen mit etwas Erdreich zog er dabei auch ein gelbes Bernsteinstück von der Größe eines Gänseeies an Bord. Vermutlich regte dieses Ereignis den Mann an, mit dem Gemüsehandel aufzuhören und sein Glück beim Bernstein zu finden. Eines Tages kamen einige Leute mit dem selben Segelboot zu dem selben Platz und bereiteten sich auf die Bernsteinfischerei vor: sie setzten sich in den Bug des Bootes, banden eine Art Schöpflöffel an das Ende eines Seiles und befestigten das andere Ende am Deck des Bootes. Sie beteten und fingen an, Bernstein zu finden. Die Fischer der Umgebung versammelten sich am Ufer des Kurischen Haffs, um zu sehen, wie die Arbeit lief. Zuerst lachten sie. Aber nachdem alle Schwierigkeiten bewältigt waren und die Angestellten des Händlers die ersten Bernsteinstücke gefunden hatten, gingen auch diese Fischer zu dem Kaufmann, um bei ihm Geld zu verdienen. Der Kaufmann sammelte und grub im Kurischen Haff Bernstein, bis die Regierung Preußens es ihm verbot. Der Kaufmann, ein Jude, versuchte alles um eine Lösung zu finden, sich mit der Regierung zu einigen. Laut einer Vereinbarung bekam er den Auftrag, das Haff zu vertiefen, damit größere Schiffe durchfahren konnten. Abgebautes Erdreich sollte am Haffufer aufgeschüttet werden. Es wurde ein 30 Kilometer langer Bereich zwischen dem Negelnschem Haken und Klaipėda vertieft und die ausgebaggerte Erde zu den Buchten der Kurische Nehrung gebracht. Dort arbeiteten bis zu 22 dampfbetriebene Bernsteinbagger. Gesiebte Erde wurde mit dem Bagger zum Ufer gebracht. In dieser Zeit wurde in der Nähe von Juodkrantė viel Bernstein gefunden. Dort waren rund 1000 Arbeiter bei der Bernstein Förderung und Verarbeitung tätig. Einen Kilometer nördlich von Juodkrantė gab es einen Bernsteinhafen und ein hölzernes, zweistockiges Haus, wo die Administration der Bernsteinbaggerei saß. In diesem Gebäude war der Fischereibetreuer Jurgis Vėsulas tätig. Wenn im Winter das Haff zugefroren und Fischerei unmöglich war, arbeiteten die Fischer tagsüber bei der Bernsteinbaggerei und knüpften erst abends ihre Netze. Jeweils drei Personen bildeten bei der Bernsteinarbeit eine Arbeitsgruppe. Bei der Bernsteinbaggerei arbeiteten Männer, Frauen und nach dem Schulunterricht auch größere Kinder. Die Gruppen suchten meistens einen Platz aus, wo das Fahrwasser war. Sie schlugen eine 10 bis 20 Meter lange Rinne in das Eis. An einer Seite des Eisloches ließen sie das Gerät, ein Netz mit dem von dem jüdischen Kaufmann erfundenen Schöpflöffel, hinunter, um dann vom Boden des Haffs durch das Schleppen des Netzes den Sand und den blauen Lehm mit den Bernsteinstücken nach oben zu holen. So wurde nach dem „Litauischen Gold“ gesucht. Die Arbeit war schwer und wurde nicht immer belohnt. Angesichts nur sehr kleiner Funde sagten die Fischer immer: „Besser als gar nichts“. Manchmal hatten sie aber auch Glück und die Bernsteinfunde eines einzigen Tages waren so erfolg-reich wie der Verdienst eines ganzen Winters. Außerdem gingen sie nach jedem Sturm zum Strand, um Bernstein zu suchen. Bernstein wurde meist mit Gras, Holzstücken, Pflanzenresten und anderen Abfällen zur Küste geschwemmt. Nachdem das Meer ruhiger geworden war, installierten die Fischer am Ufer Netze und versuchten, den Bernstein zusammen mit den mannigfachen Abfällen an Land zu ziehen. Bernstein sammeln wurde nur Personen erlaubt, die zum „Verein der Bernsteinsammler“ gehörten. Jeder, der einen Litas als Mitgliedsgebühr bezahlt hatte, bekam eine Metallmünze, die er beim Bernsteinsammeln bei sich haben musste. Der Bernstein wurde an die Bernsteinsammlungs-Kontore verkauft. Die jüdischen Kaufleute, die Bernstein privat kauften, bezahlten besser und bekamen daher den größten Teil des gesammelten Bernsteins. Die Ostseeküste in der Nähe von Karklininkai war ebenfalls „steinreich“. Die Fischer von Karklininkai fischten Bernsteinstücke während der Sommermonate. An sonnigen Tagen, wenn die Oberfläche der Ostsee glitzerte und ihr Boden gut sichtbar war, kamen sie mit kleinen Booten zur Küste, wo sie unter größeren Steinen nach Bernstein suchten. Die einige Meter tief liegenden Bernsteine sahen anders aus als die herumliegenden Steine: Steine waren dunkel, Bernsteine grünlich. Die Fischer machten die unter den Steinen liegenden größeren Bernsteine mit einem speziellen Haken frei und fischten sie dann mit dem Schöpflöffel aus dem Wasser heraus. Diese Art der Bernsteingewinnung wurde eher zum Vergnügen praktiziert, dennoch lohnte es sich ab und zu. Außerdem passierte es manchmal, dass beim Fischen mit Netzen ein Bernstein in der Grösse eines Pferdehufes oder eines Hammelkopfes ins Netz geriet. So ein Glück war aber sehr selten. Alfonsas Nevardauskas, „Pajūriais, pamariais“, Čikaga, „Morkūno spaustuvė“, 1963 (Übersetzung aus dem Litauischen)
Bernsteingewinnung im Kurischen Haff in der Nähe von Juodkrantė Im Jahre 1855 begann man das Fahrwasser im Kurischen Haff zu vertiefen, um den Schiffsverkehr zwischen Klaipėda und Karaliaučius zu verbessern. Dabei förderten die Bagger neben Sand auch Bernstein zu Tage. (Klebs 1882: 2; 1883: 22; Slotta 1996: 191). Im Jahre 1854 bekam Friedrich Wilhelm Stantien (1817 – 1891) das Recht, das Fahrwasser im Kurischen Haff zu vertiefen, und sich dabei sowohl um die Fahrrinne als und auch um die Bernsteinförderung zu kümmern. (Schlicht 1924: 159; Brekenfeld 1996: 278). Im Jahre 1858 gründete Stantien zusammen mit Moritz Becker in Klaipėda das Unternehmen „Stantien & Becker“ (Breckenfeld 1996: 279). Dieses Unternehmen bekam im Jahre 1860 oder 1861 nicht nur den Auftrag, das Fahrwasser zu vertiefen, sondern auch Bernstein in ganz Ostpreußen zu gewinnen (Andree 1937: 92 – 95; Slotta 1996:191,192). Die Tätigkeit von Stantien war vielfältig. Er hatte ein Schiff, ein Restaurant, einen Fischereibetrieb, ein Grundstück in der Altstadt von Klaipėda und eine Mühle in Rumpiškės (heutzutage ein Bezirk von Klaipėda) (Brekenfeld 1996: 278). Seit Anfang des Jahres 1852 suchte Stantien nach Bernstein auch auf seinen eigenen Grundstücken und später auf einer Wiese in der Nähe von Priekulė (Klebs 1882: 2; 1883: 22, 23; Brekenfeld 1996: 278). Der zweite Gründer des Unternehmens, Moritz Becker (1830 – 1899), war ein Geschäftsmann aus Danzig (Kurschat 1988: 345; Brekenfeld 1996: 278; Ritzkowski 2001: 234). Neben den Gründern des Unternehmens wird noch ein weiterer namens Cohn erwähnt, der aber an den späteren Aktivitäten der Gesellschaft nicht teilnahm (Klebs 1882: 2). Im Jahre 1865 suchte das Unternehmen „Stantien & Becker“ Bernstein in der Umgebung von Priekulė, wo man aber nicht erfolgreich war. Die Literatur erwähnt ein Gebiet zwischen Holländer Mütze und Klošis Wald (Andree 1937: 92; Kaškelis 1933: 15, 37; Kurschat 1988: 345). Es ist schwierig festzustellen, ob es der Ort nördlich von Priekulė war, der als Bernsteingrube bekannt war. Ein weiterer erfolgloser Versuch wurde in der Nähe von Baltijsko (ehemals Pillau, litauisch Piliava) unternommen. Das Unternehmen „Stantien & Becker“ war in den Jahren 1860 bis 1899 nicht nur bei der Bernsteingewinnung in Ostpreußen führend, sondern kontrollierte bereits damals den gesamten Bernstein-Welthandel (Andree 1937: 184, Tabella1; Slotta 1996: 191; Ganzelewski 1996: 224). Zwar erhöhte der Staat immer wieder die Steuern, doch es lohnte sich trotzdem für das Unternehmen, weiterhin Bernstein zu fördern. Im Jahre 1897 besaß die Firmsa drei große und 22 kleine Bagger und 60 Tauchanzüge. Später wurde das Vermögen dieses Unternehmens noch vergrößert (Schlicht 1924: 159, 160; Slotta 1996: 191; Breckenfeld 1996: 279). Als Friedrich Wilhelm Stantien seinen Anteil für zwei Millionen Mark verkaufte (Brekenfeld 1996: 282), übernahm der junge, energische Moritz Becker 1886 die Leitung des Unternehmens. Beide Besitzer sind als Gründer eines „Bernstein-Imperiums“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Zwischen 1870 und 1880 wurde das Büro von „Stantien & Becker“ nach Karaliaučius verlegt. Insgesamt hat diese Firma vierzig Jahre lang Bernstein abgebaut. Im Jahre 1899 verkaufte Moritz Becker das Unternehmen und sein Museum an den Staat (Breckenfeld 1996: 279 – 282). Im nördlichen Teil von Juodkrantė wurde erstmals im Jahre 1855 bei der Vertiefung des Fahrwassers versucht, Bernstein in großem Rahmen abzubauen. Auch in den Jahren 1860 und 1861 wurde dieser Versuch wiederholt, aber ein regelmäßiger Abbau begann erst am 1. Mai 1862 (Klebs 1882: 2, 3; Bezzenberger 1889: 289). Das Unternehmen „Stantien & Becker“ wurde im nördlichen Teil von Juodkrantė gegründet, der heute als „Bernsteinbucht“ bekannt ist. In dieser Bucht begann auch der Bernsteinabbau. Am Ufer wurde eine Siedlung für die Arbeiter dieser Gesellschaft gebaut. Die Siedlung wurde „Baggerkolonie“ oder „Kalifornia“ genannt (Glagau 1970: 308 – 316; Schlicht 1924: 159). In der Siedlung waren einige kleine Gebäude für die Vorarbeiter gebaut (Klebs 1883: 9 – 34; Glagau 1970: 308 – 316). Im Jahre 1890 besuchte Vilius Kalvaitis die Bernsteingrube in Juodkrantė. In seinem leider nur kurzen Bericht beschrieb er erstmals den Prozeß des Bernsteinabbaus und seine Technologien (Kalwaitis 1910: III). Die Gesellschaft benutzte sogar sieben Dampfer und 19 Bagger. Bis das Haff im Winter zufror, bauten 500 bis 600 Männer in drei Schichten Bernstein ab. (Kalwaitis 1910: III; Schlicht 1924: 159, 160; Glagau 1970: 306 – 316). Jeden Tag wurden die Arbeiter nach der Schicht auf gestohlenen Bernstein untersucht. Bei Diebstahl wurden die gut bezahlten Arbeiter entlassen (Glagau 1970: 312, 313). Bei der Bernsteingewinnung wurde das Gebiet ständig vergrößert. Am Ende wurde der Bernstein mit Baggern aus 4 bis 10 Meter Tiefe, auf einer Länge von 2226 Meter und einer Breite von 230 abgebaut (Schlicht 1924: 161). Der in Juodkrantė geförderte Bernstein wurde nach Klaipėda oder Karaliaučius gebracht, um ihn dort zu sortieren. Ein Teil des abgebauten Bernsteins wurde nach Großbritannien und Afrika exportiert. In diesen Ländern waren der helle und der durchsichtige Bernstein überaus beliebt (Glagau 1970: 313, 314). Der in Palvininkai abgebaute Bernstein wurde nach Kairo, Bombay, Kalkutta, Tokio und New York exportiert (Brekenfeld 1996: 280). Besonders wertvoll waren große Bernsteinstücke, die 400 bis 1000 Taler erbrachten (Glagau 1970: 314, 315). Im Jahre 1864 wurden etwa 17000 Kilo Bernstein abgebaut. Die Bernstein-gewinnung in der Nähe von Juodkrantė steigerte sich jedoch immer weiter und erreichte im Jahre 1868 den Rekord von 94000 Kilo Bernstein (Schlicht 1924: 160). Während der Jahre 1862 bis 1890 wurden durchschnittlich 75000 Kilo Bernstein pro Jahr gewonnen, der 180000 Taler erbrachte. (Klebs 1883: 17 – 20; Schlicht 1924: 160; Slotta 1996: 192). Ab 1880 wurde die Bernsteingewinnung von Juodkrantė deutlich geringer und am 30. November 1890 brach die Gesellschaft „Stantien & Becker“ die Förderung ab (Klebs 1883: 17 – 20; Schlicht 1924: 160; Slotta 1996: 192). Ab 1891 arbeiteten die Bagger nicht mehr. Im Jahre 1899 wurde die Gesellschaft an den Staat verkauft und ein Jahr später wurde die Bernsteingewinnung in Juodkrante völlig eingestellt (Schlicht 1924: 160). Bernstein wurde in Juodkrantė 28 Jahre lang intensiv abgebaut. Die Entwicklung des Ortes Juodkrantė aus einem kleinen Fischerdorf zum Kurort ist eng mit der Bernsteingewinnung verbunden. Hier verbrachten viele berühmte Leute ihren Urlaub, unter ihnen auch der berühmte Archäologe Adalbert Bezzenberger (MAB, f. 12 – 1245, b. 8, 9, l. 19). Die Gesellschaft „Stantien & Becker“ tat auch viel auf sozialem Gebiet: Im Jahre 1880 spendete sie für den Bau des Kais 2000 Mark. Sie kümmerte sich um die Schule, die die Kinder der Bernsteinabbauer besuchten, und bezahlte auch den Arzt. Moritz Becker schenkte der neuen Kirche eine Orgel. (Schlicht 1924: 161; Brekenfeld 1996: 281; Strakauskaitė 2001: 43, 70). A.Bliujienė, Lietuvos priešistorės gintaras, Vilnius, „Versus aureus“, 2007 (Übersetzung aus dem Litauischen)
Bernsteingewinnung in Juodkrantė Bekannt wurde der Ort Juodkrantė durch den Bernsteinabbau des Unternehmens von Kaufmann Moritz Becker und des Hotelbesitzers Friedrich Wilhelm Stantien. Der Bernstein wurde in der Nähe von Juodkrantė bei der Vertiefung des Fahrwassers zwischen Klaipėda und Nida entdeckt. In den Jahren 1870 bis 1885 herrschte fieberhafte Tätigkeit: Die Bagger arbeiteten Tag und Nacht von Frühlingsanfang bis zum Ende des Herbstes. Tausende Arbeiter kamen nach Juodkrantė. Das Bernsteinunternehmen ließ Arbeiterunterkünfte und eine Werkstatt aus Holz errichten, und baute auch spezielle Uferanlagen am Haff. Die runde Bucht, wo diese angelegt wurden, wird heutzutage „Bernsteinbucht“ genannt. Solange das Unternehmen existierte (bis 1900), wurden insgesamt 2250 Tonnen Bernstein gefördert. Der Abraum wurde am Haffufer, wo das Moor lag, aufgeschüttet, wodurch die Kurische Nährung etwa 50 Meter breiter wurde. Nachdem die „Bernsteinkönige“ einen anderen Fundort entdeckt hatten, beendeten sie den Abbau in Juodkrantė. Sie kauften einen Hof in Palmnicken (heute Jantarnyj) aus dem Besitz des verarmten Baron Golz und richteten dort eine neue Förderstätte ein. Hier wurde der Bernstein im Tagebau abgebaut. In der Nähe wurde zugleich eine Bernsteinbearbeitungs-Fabrik gebaut. M.Telksnytė, Kuršių nerija, Vilnius, “Mintis“, 1979
In Litauen wurde Bernstein seit dem Jahre 1854 abgebaut. Bei der Vertiefung des Fahrwassers wurde in der Nähe von Juodkrantė ein Bernsteinvorkommen entdeckt. Zwei Kaufleute aus Klaipėda gründeten das Unternehmen „Stantien und Becker“. Dieses Unternehmen suchte in der Mitte des 19. Jh. in der Umgebung von Priekulė, in der Nähe von Penpininkai und Luščiai und in den Mooren am Kurischen Haff nach Bernstein. Leider fanden sie keine große Bernsteinablagerung. Am Anfang wurde der Bernstein am Ufer des Kurischen Haffs nur per Hand abgebaut. Pro Jahr wurden etwa 7,5 Tonnen Bernstein gefördert. Nachdem das Unternehmen reicher geworden war, wurde der Bernstein seit 1883 aus dem Boden des Kurischen Haffs mit Bernsteinbaggern gefördert. Damals wurden pro Jahr schon 26,5 bis 85,5 Tonnen gefördert. Die Besitzer dieses Unternehmens wurden so reich, dass sie sogar die Bernsteingrube und die Bernsteinbearbeitung-Fabrik in Palmnicken kaufen konnten. Sie wurden die reichsten Geschäftsleute Ostpreußens. Im Jahre 1899 unterbrach die deutsche Regierung unerwartet die Bernsteingewinnung aus dem Kurischen Haff, obwohl das Unternehmen ein bernsteinreiches Gebiet von 3000 Hektar für die Förderung vorbereitet hatte. Weil in dieser Zeit viel Bernstein in Palmnicken abgebaut wurde, vermutete man, dass die Regierung mit dem Schließen der Bernsteingrube in Juodkrantė das Überschwemmen des Bernsteinmarktes und ein Sinken der Preise vermeiden wollte. Später wurde noch einmal versucht, Bernstein aus dem Kurischen Haff abzubauen. Im Jahre 1921 wurde die Gesellschaft „Fisch und Bernstein“ und in den Jahren 1928-1929 die Gesellschaft „Bernstein“ gegründet. Die erste ging schon vor dem Beginn der Arbeiten in Konkurs. Die zweite Firma baute nur zwei Tonnen Bernstein ab und wurde wegen fehlender Unterstützung des Staates auch bald geschlossen. Vladas Katinas, Baltijos gintaras, Vilnius, „Mokslas“, 1983 (12-13 ps)
Bernsteingewinnung in Priekulė und Juodkrantė Die industrielle Bernsteingewinnung entwickelte sich in der Nähe von Priekulė, wo wie in anderen Orten schon in der Mitte des 19. Jh. nach Bernstein gesucht wurde. Eine oberflächennahe Bernsteinschicht lag eine halbe Meile westlich von Priekulė, in der Nähe von Pempiai, und am südlichen Teil des Klooscherner Waldes. Der hier geförderte Bernstein brachte für den Gutbesitzer Spender im Jahre 1856 einen Gewinn von 2000 Taler. Davon erfuhr Friedrich Wilchelm Stantien, dem die Mühle in Rumpiškės gehörte. Er baute im Jahre 1857 Bernstein in der Nähe von Šūdnagiai (Umgebung von Priekulė) ab. Ein Jahr später wurde das Fahrwasser im Kurischen Haff vertieft. In dem von den Baggern aufgeschüttetem Erdreich wurde viel Bernstein gefunden. Stantien schaffte es, eine Lizenz für die Bernsteinförderung zu bekommen. Mit dem ehemaligen Angestellten Moritz Becker gründete er im Jahre 1860 das Unternehmen „Stantien & Becker“. Der Bernstein wurde mit dampfbetriebenen Bernsteinbaggern abgebaut. Für einige Jahre waren in diesem Unternehmen 500 Arbeiter tätig (…). Die Bernsteingewinnung in Priekulė bestand bis in die sechziger Jahre des 19. Jh., die Bernsteingewinnung in Juodkrantė hielt an bis 1890. Aus dem Buch „Prökuls. Kirchspiel und Marktort im Memelland”, Iserlohn, 1984 Vorbereitet von Rasa Krupavičiūtė |