„ Bernstein ist aus einer unbekannten Kieferart ausgetropft, die unter Palmen, Kastanien, Eukalyptusbäumen, Magnolien, Eichen, Wacholderbüschen und Buchen wuchs.  Bernstein ist die Frucht eines Baumes, aber er ist ewig.“

Schrift an der Auszeichnung „Amber Gallerist of the Year 2001“ vom Internationalen Arbeitskreis Bernstein für Kazimieras Mizgiris

Zahlreiche Legenden und Mythen erklären bei den verschiedenen Völkern die Entstehung des Bernsteins. Der griechische Mythos berichtet von Phaeton, dem Sohn des Sonnengottes Sol. Er bat seinen Vater, den väterlichen Sonnenwagen, gezogen von den wilden Sonnenpferden, für einen Tag lenken zu dürfen. Nach langem Zögern willigte dieser ein. Anfangs ging alles gut, doch bald gehorchten die feurigen Rosse nicht mehr. Phaetons Hochgefühl schlug in Entsetzen um und er ließ die Zügel fahren. Das herrenlose Gefährt geriet außer Kontrolle, streifte Himmel und Erde und setzte sie in Brand. In ihrer Not flehte Mutter Erde den Göttervater Zeusan, den Weltenbrand zu verhindern. Zeus tötete Phaeton mit einem Blitz aus höchster Himmelshöhe, so dass dieser mit brennenden Haaren in den Fluss Eridanus stürzte. Phaetons Schwestern, die Heliaden, beweinten ihren Bruder. Ihre Tränen erstarrten durch die Hitze der Sonne zu Bernstein und fielen in den Eridanus.

Der griechische Philosoph Sophokles glaubte, dass Bernstein sich aus den Tränen der Vögel, die wegen Meleagros weinten, gebildet hat. Demokrit behauptete, dass Bernstein aus dem Urin des Luchses entstanden sei. Ninejus war sicher, dass Bernstein ein Konzentrat des Sonnenscheins ist, den das Meer zum Ufer bringt. Asurabis schrieb, dass Bernstein entsteht, wenn der Meeresboden nicht weit von der Insel Cefisio im Atlantischen Ozean heiß wird.

Es gibt Legenden, dass vor langer, langer Zeit am Himmel zwei Sonnen schienen. Eine der beiden war darüber unzufrieden und schickte die andere auf den Grund des Ozeans, wo die Sonne kalt und hart wurde. Beim Aufprall auf den Meeresgrund zersprang sie in tausend kleine Stücke. Seitdem spült der Ozean viele kleine Sonnensteinchen (Bernstein) ans Ufer. Andere Legenden berichten, Bernstein sei hart gewordener Meerschaum, zum Schmelzen gebracht durch die Hitze der Tagessonne, oder hart gewordener Rogen eines geheimnisvollen Fisches oder erhärteter Honig wilder Bienen. Manche glaubten, es handele sich um Erdöl, das sich im Meereswasser verfestigte, oder vielleicht um ein  heiliges Harz, das den Göttern aus Versehen aus den Händen geglitten war.

Aber die litauische Legende über Jūratė und Kąstytis ist die romantischste. Sie erzählt eine traurige Geschichte über die Meeresgöttin Jūratė. Diese verliebte sich in einen schönen jungen Fischer namens Kąstytis und nahm ihn mit in ihren Bernsteinpalast auf dem Meeresgrund. Ihr Vater, der Donnergott Perkūnas, geriet darüber in Zorn, schickte Blitze hinunter, die das Bernsteinschloss trafen und den Palast zerstörten. Kastytis kam um. Jūratė trauert um ihn bis heute und vergießt ihre Bernsteintränen, die vom Meer ans Ufer gespült werden. Viele andere glauben, die Bernsteinstücke seien Reste des zerstörten Palastes der Göttin.

Gelehrte und Weise des Altertums hatten eigene Vermutungen über die Entstehung des Bernsteins. Platon (427–347 v. Chr.) verband die Herkunft des Bernsteins mit der Herkunft des Magnets, da beide andere Dinge anziehen.

Die Römer hingegen wussten bereits, dass der Bernstein ein Baumharz ist. Besonders bemerkenswert ist, was Tacitus zur Zeit des Kaisers Trajan um 100 n.Chr. im  45. Kapitel seiner berühmten Schrift De origine et situ Germanorum liber – Geographie und Kultur der Germanen – über den Bernstein des ostpreußischen Samlandes, sein Vorkommen und seine Entstehung ausgeführt hat. „Der Bernstein kann jedoch, wie man leicht erkennt, nichts anderes als ein Baumsaft sein, weil gewisse Landtiere und sogar auch geflügelte sehr häufig in ihm deutlich zu sehen sind, welche von dem noch flüssigen Saft eingehüllt, dann aber in die erstarrende Masse eingeschlossen wurden“.

Dieses Wissen ging später vollständig verloren.

Die Gelehrten des Mittelalters entwickelten andere Vermutungen und  alle irrten sich gewaltig. Agricola (1494–1555) leugnete die pflanzliche Herkunft des Bernsteins. Er war überzeugt, dass Bernstein aus dem flüssigen Material, das tief in der Erde liegt, entstanden sei und erst an der Luft hart würde. J. Kardanas (1551) meinte, dass Bernstein sich in dem Schaum, der sich aus Ausscheidungen des Wales bildet, geformt hat. Nach H. Liudolfo (1725), ist Bernstein eine Mischung von Öl und Säure, die sich tief in der Erde bildet. Die Mischung kommt durch Risse im Meeresgrund ins Wasser, vermischt sich dort mit dem Urin der Meerestiere und wird von Wellen zum Strand gebracht, wo sie aushärtet und zu Bernstein wird. G. Biufonas (1873) glaubte, dass Bernstein sich aus Honig bildete. Eine ganz eigenartige Theorie stellte H. Girtaneris auf: Bernstein sei das Produkt von Riesenameisen.

Allen diesen Theorien zum Trotz gelang es Mikhail Wassilijewitsch Lomonossov 1757, in seiner vor der Petersburger  Akademie gehaltenen Rede die Mitglieder vom tatsächlichen Ursprung des Bernsteins zu überzeugen, nämlich dass es sich um ein fossiles Baumharz handelt.

Um sich vorzustellen, wie der Baltische Bernstein entstanden ist, sollten wir mehrere Millionen Jahre in den südlichen Teil Skandinaviens bzw. in den nördlichen Teil der Ostsee zurückgehen. Die Ostsee bildete sich erst vor etwa 13000 Jahren. Vor mehr als 55 Millionen Jahren war dieser Raum mit ausgedehnten Mischwäldern bedeckt. Darin wuchsen neben den heute noch hier heimischen Kiefern, Tannen, Eichen, Buchen und Kastanien auch tropische Palmen, Magnolien, Zimtbäume und Orchideen. Das Klima war tropisch-subtropisch warm und feucht. Heute gilt es als sicher, dass eine ausgestorbene Kiefernart (Pinus succinifera) der Harzproduzent war. Das Harz war vermutlich sehr dünnflüssig, aber erhärtete extrem schnell. Im Waldboden werden Baumharze durch Austrocknung und Oxidation relativ bald zerstört. Der erste und wichtigste Schritt für ihre Erhaltung ist deshalb ein eiliger Abtransport durch Flüsse ins Meer oder in Binnenseen, wo sie vor diesen Prozessen geschützt sind. Flusssysteme lagerten den Bernstein durch ihre Strömungen in Lagunen ab, wo er mit unterschiedlichen Sedimenten bedeckt wurde. Nahezu alle bisher bekannten Bernsteinvorkommen befinden sich deshalb in Meeresablagerungen. Wie lange der baltische Bernsteinwald existiert hat, ist nicht genau zu bestimmen. Der mögliche Zeitraum erstreckt sich von 1 – 10 Millionen Jahre.