Die Geschichte des Schwarzorter Schatzes begann Mitte des 19. Jh., als bei der Vertiefung des Fahr-wassers im Kurischen Haff, in der Nähe von Juodkrantė ein Bernsteinvorkommen entdeckt wurde. Rasch verbreiteten sich Gerüchte über die Größe dieser Bernsteinschicht.

Im Jahre 1857 gründeten zwei Kaufleute aus Klaipėda, Wilhelm Stantien und Moritz Becker, die Firma „Stantien & Becker“. In der Nähe des kleinen Fischerdorfes Juodkrantė begannen sie mit dampfbetriebenen Baggern den Haffboden nach oben zu bringen, der dann mit kleinen Booten an Land gebracht und auf Siebe geschüttet wurde. Der Sand wurde zurück ins Haff gespült und auf dem Sieb verblieben Holzstücke, Torf und Bernstein. Diese Art der Gewinnung war überaus erfolgreich. Jährlich wurden etwa 70 Tonnen gefunden.

Unter den Bernsteinstücken befanden sich auch eine Anzahl kleiner, merkwürdig geschnitzter Figuren, Anhänger, Rollen und Scheiben. Der archäologische und wissenschaftliche Wert dieser Stücke wurde lange Zeit nicht erkannt. Die prähistorischen Erzeugnisse wurden einfach verkauft oder als Andenken an die Gäste in Juodkrantė verteilt. Eine besonders wertvolle Kollektion mit seltenen, menschenförmigen Figuren aus Bernstein wurde nach New York verkauft. Was später damit passierte, ist bis heute nicht geklärt. Erst als der Geologe Hermann Richard Klebs bei der Firma „Stantien und Becker“ zu arbeiten begann, wurde der Verkauf wissenschaftlich wertvoller Bernsteinexponate verboten. Arbeiter, die Bernstein stahlen, wurden streng bestraft.

In den Jahren 1860 bis 1881 wurde von Richard Klebs in Königsberg eine Kollektion zusammengestellt, die aus Rohbernstein und 434 verschiedenförmigen Bernsteinartefakten aus dem Neolithikum (3000 v. Chr.) bestand. Diese Kollektion wurde sehr schnell berühmt und gilt bis heute als Schatz von Schwarzort. Die besondere Region, wo Bernstein im Haff gefunden wurde, war eine flache Sandbank, 650 Meter nördlich von Juodkrantė mit einer Länge von ungefähr 2,5 Kilometer. Die neolithischen Artefakte wurden zusammen mit Rohbernstein aus etwa 2 bis 4 Meter Tiefe gefördert. Der Schatz besteht aus Rohbernstein und Bernsteinartefakten: verschieden geformte, lange und dünne, regelmäßig und unregelmäßig bearbeitete, fast rechteckige und ovale Anhänger. Darunter befinden sich auch verschiedene Knöpfe: kleine runde und ovale, bis 4,5 cm lange, große, schiffchenförmige, mit einer glatten Oberfläche und gepunktete. Des weiteren umfasst dieser Schatz verschiedene röhrenförmige Ketten: mit einer retuschierten Oberfläche und mit abgeschliffenen, ganz planen und mit ein bißchen gewölbten Seiten. Es gibt auch Gliederteile und Rollen. Alle 434 Bernsteinartefakte wurden ausführlich in dem Buch von Richard Klebs „Die Bernsteinschmuckstücke aus der Steinzeit“ (1882) beschrieben.

Besonders wertvoll sind die Werke der plastischen Kunst aus dem Neolithikum, die Menschen- und Tierfiguren. Diese Figuren sind in Form und individueller Bearbeitung sehr unterschiedlich. Sie dürften als die ältesten Beispiele der Plastik in Litauen gelten. Eine Figur aus dieser Sammlung stellt eine Frau dar, eine weitere nur das Gesicht eines Menschen. Man vermutet, dass die Figuren als Amulette benutzt wurden, weil manche mit Löchern versehen waren. Im Schwarzorter Schatz wurde auch ein Stück gefunden, das schematisch den Kopf eines Tieres, wahrscheinlich eines Pferdes, abbildete. Am meisten wurden röhrenförmige Ketten, Knöpfe, Rollen, Anhänger in Form einer steinernen Axt gefunden. Die Knöpfe in Linsenform wurden vor 4000 Jahren von den Anwohnern der Kurischen Nehrung getragen. So wie die Anhänger und Figuren haben diese Knöpfe Löcher in V-Form, die mit einem primitiven Bohrer aus Feuerstein gemacht worden waren. Solche Bohrer waren für das Neolithikum und die frühe Bronzezeit typisch. Weil der Bohrer kurz war und nur mit der Spitze schnitt, wurden die Löcher von beiden Seiten gebohrt, wodurch jetzt die Löcher die Form zweier Hohlkegel haben. Die Anhänger, Knöpfe und Rollen wurden im Lauf der Zeit abgeschliffen, daher ist es schwierig, Spuren der früheren Bearbeitung an der Oberfläche zu erkennen. Um das genaue Alter der Erzeugnisse festzustellen, muß man die beim Schleifen nicht bearbeiteten Stellen gründlich untersuchen. Den Menschenfiguren aus dem Schwarzorter Schatz ähnelt eine kleine Figur, die später von V. Hensche südlich von Nida zusammen mit einer Steinaxt und anderen Erzeugnissen aus der Steinzeit gefunden wurde. Mit ihrer Form und der Art der Bearbeitung ist diese Figur auch ähnlich einer aus Knochen angefertigten Figur, die in der Ortschaft Tamula in Estland gefunden wurde. Einen Teil der in Nida gefundenen Artefakte des Neolithikums, die schon vor dem eigentlichen Schwarzortschatz entdeckt worden waren, verkauften die Finder an Privatleute. Eine Figur in Menschenform gelangte zum Beispiel zu einem privaten Sammler in New York.

Über die Bernsteinerzeugnisse der Narva-Kultur aus dem Neolithikum wurde in der ganzen Welt gesprochen. Es ist interessant, dass der Schwarzorter Schatz aus Gegenständen verschiedener Zeiträume und verschiedener Kulturen besteht. Fachleute rätseln, wie so etwas passieren konnte. Eine Theorie ist, dass diese Erzeugnisse aus den Steinzeit-Ortschaften im Samland bis hierher gespült wurden. Andere stimmen dem nicht zu und behaupten, es sei unmöglich, dass die Erzeugnisse aus den verschiedenen Zeiträumen zu derselben Stelle gespült worden seien. Sie versuchen zu beweisen, dass es bei Schwarzort über eine längere Periode einen  Opferungsort gab. Es ist bekannt, dass Opferstellen für lange Zeit an derselben Stelle blieben. Allerdings, die Opfer in der Steinzeit wurden im Wasser dargebracht. Opfer zu verbrennen, wurde erst mit der Entwicklung der Landwirtschaft üblich.

Nachdem R. Klebs alle Figuren in seinem Werk „Schmuckstücke aus der Steinzeit“ beschrieben hatte, übergab er die ganze Sammlung dem Königsberger Museum. Während des Zweiten Weltkriegs ist der Schwarzorter Schatz zusammen mit anderen einmaligen Ausstellungsstücken, so wie das Bernsteinzimmer, verschwunden. Dank Professor Karl Andree, der an dieser Universität tätig war, sind bis heute ein paar orginale Amulette erhalten geblieben. Als 1944 die Russen immer näher an Königsberg heranrückten, wurden die wertvollsten Bernsteine der Sammlung in zwei Kisten verstaut und evakuiert. Lange Zeit war das Schicksal dieser Kisten nicht bekannt. Es wurde vermutet, dass sie endgültig verschwunden seien. Später wurden sie aber in Göttingen gefunden und werden bis heute im Geologisch-Mineralogischen Institut der Universität Göttingen aufbewahrt.

Die rekonstruierte Sammlung kann man im Bernsteinmuseum von Kazimieras Mizgiris in Nida und in Vilnius bewundern. Es war die hochqualifizierte Restauratorin und Künstlerin Bronė Kunkulienė vom Pranas Gudynas´ Restaurationszentum für Kunstwerke, die diese Kollektion nach erhaltenen Bildern und nach Zeugnissen der Steinzeit in Analogie wiederhergestellt hat.